Christian Gottlieb PrieberDer frühe Utopist aus ZittauEin erstaunlicher Sohn der Oberlausitz ist aus der Geschichte
aufgetaucht: als echter Vorläufer von
Old Shatterhand. Er wollte im Indianerland ein »Paradies« der freien Liebe ohne Eigentum und
ohne Rassen- und Klassenschranken begründen.von Maik Hosang (18.09.2014) Geboren und aufgewachsen in Zittau, wo er auch seine erste Familie gründete, verließ wohlbestallte Advokat Christian Gottlieb Prieber 1735 seine Heimat, Beruf und Familie auf Nimmerwiedersehen. Es war nicht bloß Midlife-Crisis, vielmehr brach er auf in eine moderne Utopie. Er war ein VorläuferRousseaus und Nachfahre Platons, ein Avantgardist der Menschenrechte, der zu träumen wagte und die Rassenschranken sprengte. Er war Urfeminist und Vordenker der freien Liebe. Und das Erstaunliche: Mit seinen Idealen kam ziemlich weit im Land der Indianer. Denn er war nicht wie bei Karl May eine Fantasiegestalt wie Old Shatterhand. Sondern Christian Gottlieb Prieber war wahrhaftig und echt, »eine faszinierende Figur«, so urteilte der amerikanische Anthropologie-Professor Charles Hudson, der ein Standardwerk über die Indianer des Südostens verfasste. Zivilisatorisch abgespeckt, aber mit einer Kiste voller Bücher und Schreibzeug auf dem Packpferd, zog Prieber in die Wildnis. Er war Ende 30, »ein kleiner alerter Mann mit einem angenehmen Äußeren und einem äußerst durchdringenden Blick», mit »einschmeichelndem Benehmen« und »einer scharfsinnig tiefdringenden Beurteilungskraft«, kurzum ein »sehr außergewöhnliches Wesen«. Zwei Jahre später sichteten ihn Trader bei den Cherokee-Indianern am Fuße der Appalachen in Great Tellico, einer Ansiedlung aus hellschimmernden Häusern an den glasklaren Gewässern. Kein beißender Rauch lag in der Luft, in der reinlichen Atmosphäre aß man eine gesunde, nur viel zu lang gekochte Kost, etwa blaue Eier, und schlief auf bequemen, mit weichen Fellen bedeckten Bettgestellen. Äußerlich war Priber kaum von den Eingeborenen zu unterscheiden. Er trug einen Lendenschurzund gebundene Mokassins, sein Haar. Mit den Indianern ging Priber jagen und fischen. Auch teilte er ihr Vergnügen an einem Spiel mit Schlägern und einem Ball aus abgeschabtem Rehleder. Zwar nannten Rothäute die Weißhäute oft »Niemande« aus einem »verfluchten Volk« und verachteten sie als fett, feige und besitzgierig, aber dieser ganz besondere Weiße wurde in einen der sieben matrilinearen Clans aufgenommen. Er nahm sich die Häuptlingstochter Clogoittah zur Frau oder sie ihn. Angeregt durch die natürliche Lebendigkeit der Indianer machte sich Prieber daran, dieses Paradies mit seinem westlichen Wissen anzureichern und eine neue menschliche Welt zu erproben. Dort sollte es keine Herrschaft geben, sondern »Freiheit vollkommen gewährleistet sein«. So entsprach es einem ihn schon als Student faszinierenden Naturrecht, eine edle, durch die Vernunft eingegebene Disziplin, über die einige große deutsche Gelehrte Vorlesungen hielten. Priber sah in seinem amerikanischen Traumland vor, »dass alle dort gleich sein« und »alle Güter unter ihnen gemeinsam sein sollte«. Ein jeder sollte nach seiner Fähigkeit zum Wohl des Ganzen arbeiten. Es sollte keine Heiratskontrakte geben und die Frauen in der gleichen Ungezwungenheit wie die Männer leben. Angehörige aller Nationen, aller Farben und Rassen waren willkommen, entlaufene Sklaven, Gestrandete, Kriminelle, Verfolgte. Soviel utopischer Mut erweckte natürlich auch den Argwohn, die Ängste und Vorurteile mancher anderer Kolonisten, die wussten, dass ihre bevorzugten Positionen gefährdet wären wenn solche Lebensmodelle sich dort verbreiten. Als Priber 1743 das Einflussgebiet der Cherokee verließ und das Land am Alabama ansah, erschossen bestochene Creek seinen schwarzen Begleiter und nahmen ihn gefangen. Er wurde nach Augusta gebracht, einem Außenposten der Trader, wo sie sich im Frühjahr samt der verrohten Mannschaft ihrer Packhorse-Men mit etwa 2.000 Pferden zum Geschacher und Geschiebe in der Kolonialpolitik einfanden. Sein endgültiges Refugium fand der Utopist in Fort Frederica auf der St. Simon’s Insel vor der Küste Georgias. Er hatte Tag und Nacht einen Wächter vor seiner geräumigen Zelle, aber er trug seine Gefangenschaft mit philosophischer Gelassenheit. |
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