Die Peterstraße 6 in Görlitz
Ein 600 Jahre altes Hallenhaus und die Entdeckung Amerikas
Görlitz bewirbt sich um den Titel „Weltkulturerbe". Seine zahlreichen, sachkundig und liebevoll restaurierten Hallenhäuser in Görlitz sind einzigartig, wie eine aktuelle, von der UNESCO geforderte Vergleichsanalyse durch 18 europäische Städte - unter anderem Regensburg, Passau, Pilsen und Breslau - ergab.von Jürgen Hoppmann (24.01.2014)
Vor 800 Jahren entstand hier in der Oberlausitz, im Zentrum Europas, auf einem Felsen an der Neiße eine erste planmäßige Stadtanlage.
Die Peterstraße in Görlitz wurde 1306 erstmals urkundlich erwähnt. Das Haus Nummer 6, zentral zwischen Untermarkt und Peterskirche gelegen, wurde gut ein Jahrhundert später errichtet. Die Achsen des Hauses lassen vermuten, dass damals mehrere kleinere Gebäude überbaut wurden.
Gotik, Renaissance und Barock
Die Spätgotik erkennt man gut an der Eingangshalle mit ihrer ionischen Säule, den Gewänden der Erdgeschossfenster und den noch erhaltenen Tonnengewölben. Die straßenbegleitende Fassade mit ihren Fensterfaschen aus Sandstein ist typisch für die Renaissance. Nach nach den großen Stadtbränden 1671 und 1717 erfolgt der barocke Umbau, was sich am Portal der Einrahmung der Eingangstür gut erkennen lässt.
Doch vor kaum mehr als einem Jahrzehnt war das Gebäude wie viele andere in der Görlitzer Altstadt nicht mehr als eine Ruine: einstürzende Zwischendecken, Schwamm in Mauerwerk, das Dach völlig marode.
Ein hiesiger Bürger investierte mit Unterstützung der örtlichen Sparkasse über eine Million Euro und schaffte so unter großem persönlichen Einsatz, mit Hilfe eines sachkundigen Architekten und unter Berücksichtigung strenger Auflagen der Denkmalschutzbehörde den Spagat:
Einerseits eine möglichst originalgetreue Restaurierung, erkennbar beispielsweise an der barocken Malerei der Fassade auf Grundlage originaler Befunde und der aufwändigen Wiederherstellung einer Renaissance-Decke. Und andererseits Wohnkomfort und originelles Design, erkennbar beispielsweise an der Glastrennwand zum Geschäft.
Wie sich die Entdeckung Amerikas auf Görlitz auswirkte
„Das späte 15. und frühe 16. Jahrhundert war eine Epoche großer wirtschaftlicher Innovationen und Veränderungen in der Handelsstruktur," so der Historiker Andreas Bednarek. Er erläutert, dass damals mit der Entdeckung Amerikas der zuvor sehr wichtige Mittelmeerraum an Bedeutung verblasste. Der Handelsweg der via regia gewann als europäische Nord-Süd-Achse immer mehr an Bedeutung. „Entlang dieser Route entschied man sich an bestimmten Orten für den Bau von Hallenhäusern, die für die damalige Form des Handels wichtig waren. Görlitz konnte zur rechten Zeit die rechte Entwicklung nehmen."
Und jetzt ist die UNESCO gefordert
So prachtvoll wie die Peterstraße 6 sind hier in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Hallenhäuser restauriert worden. Deshalb stellt der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege auch zurecht fest: "Die Bausubstanz ist würdig, die Bevölkerung ist bereit für das Weltkulturerbe!"